Veranstaltungen im Lew Kopelew Forum – Dezember 2019

Veranstaltungen im Lew Kopelew Forum – Dezember 2019

Di., 3.12.19 – 19:00 Uhr

„Polen im Wachtraum“ – Buchvorstellung und Gespräch mit dem Autor

Prof. Dr. Andrzej Leder, Warschau/Polen
Moderation: Dr. Ingo Eser, Köln, Osteuropahistoriker mit Polen-Schwerpunkt. Veranstaltung auf Polnisch u. Deutsch mit
Konsekutivübersetzung von Jerzy Czopik, stv. Vorsitzender des BDÜ

„Polen im Wachtraum. Die Revolution 1939–1956 und ihre Folgen“, Fibre Verlag Osnabrück 2019.

Aus dem Polnischen von Sandra Ewers; mit einer Einführung von Felix Ackermann.

Andrzej Leder, geb. 1960 in Warschau, ist Kulturphilosoph, Professor am Institut für Philosophie und Soziologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Er hat auch Medizin studiert und ist als Psychotherapeut tätig.

Martin Sander, Deutschlandfunk, 01.07.2019:

/…/„Der 2014 im Original erschienene Essay, der nun unter dem Titel „Polen im Wachtraum“ auf Deutsch vorliegt, wurde in Polen intensiv und kontrovers diskutiert. Kein Wunder, denn Leder legt darin die polnische Gesellschaft kollektiv auf die Couch. Laut Autor hat sich in Polen zwischen 1939 und 1956 ein radikaler sozialer Umbruch vollzogen. Das Besondere daran: Fremde Mächte trugen die Verantwortung. Die deutschen Besatzer hätten im Zweiten Weltkrieg durch die Ermordung von drei Millionen polnischen Juden zugleich den größten Teil des polnischen Bürger- und Kleinbürgertums ausgelöscht. Dadurch hätten sie bis dahin unvorstellbare Aufstiegsmöglichkeiten für die überlebenden Polen geschaffen. Nach Kriegsende habe dann eine unter dem Diktat der Sowjetunion durchgeführte Landreform der zuvor mächtigen Klasse der Gutsbesitzer das Rückgrat gebrochen. So seien neue Chancen für Millionen von Landarbeitern, häufig Analphabeten, entstanden. Leder interessiert, wie sich die fremdbestimmte Revolution auf das politische Denken und Handeln der Betroffenen, vor allem der Begünstigten langfristig auswirkt.

Der Warschauer Geschichtspsychologe ist davon überzeugt, dass sich die Nutznießer der von Fremden initiierten Revolution ihrer Rolle in den Umwälzungen nie bewusst wurden, diese nicht verarbeiten konnten oder wollten. Vielmehr hätten sie die Revolution, so Leder in seinem Essay, als Wachtraum erlebt. Sie hätten sich als kollektives Opfer fremder Herrscher, der Deutschen und der Sowjets, empfunden, ein Bewusstsein, das sich über Generationen verfestigt habe. Das Verharren im Opferstatus und die unverarbeitete eigene Rolle in den Umbrüchen lähmen die Gesellschaft bis in die Gegenwart, so Leders These. Dadurch werde ein reifes zivilgesellschaftliches Handeln stark beeinträchtigt.

Andrzej Leders Buch zeigt am polnischen Beispiel eindrücklich, was auch in anderen vormals sozialistischen Gesellschaften im mittleren und östlichen Europa bis in die Gegenwart nachwirkt – nicht zuletzt im Osten Deutschland. „Polen im Wachtraum“, mit einer nützlichen Einführung des deutschen Historikers Felix Ackermann, erweist sich als sprachlich anspruchsvolle, allemal packende Lektüre zu einem historischen Thema von hoher Aktualität.“

UKB: 5,- € / 2,5 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger

 


 

Do., 5.12.19 – 19:30 Uhr

Umbruch in der Ukraine: Mehr Demokratie oder mehr Autoritarismus?

Vortrag und Diskussion mit Viola von Cramon – EU-Abgeordnete, stv. Vorsitzende der EU-Ukraine Delegation
Moderation: Prof. Dr. Gerhard Simon, Universität zu Köln

Die Präsidenten- und die Parlamentswahlen in der Ukraine in diesem Jahr haben zu einem beispiellosen politischen Umbruch geführt: Ein politischer Außenseiter, Wolodymyr Selenskyj, wurde mit über 70% der Stimmen zum Präsidenten gewählt, und seine gerade erst gegründete Partei „Diener des Volkes“ errang eine komfortable absolute Mehrheit im Parlament. Die alte politische Elite wurde weggefegt.

Die neue politische Kraft siegte insbesondere mit zwei Versprechen: Ende des Krieges im Donbas und Ausmerzung der Korruption; die alte Führung unter   Petro Poroschenko wurde im öffentlichen Diskurs in die Nähe von politischen Verbrechern gerückt.

Nach einem halben Jahr im Amt stellt sich die Frage: Werden die Wahlversprechungen erfüllt? Gibt es Anzeichen für Frieden im Osten der Ukraine? Verspricht die Justizreform Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung? Wird der Einfluss der Oligarchen auf Wirtschaft und Politik zurückgedrängt?

Die Versuchungen zum Machtmissbrauch durch Präsident Selenskyj sind unübersehbar. Die Legislative ist ohne eigenständiges Gewicht; die parlamentarische Opposition marginalisiert. Eine unabhängige Justiz gibt es nicht. Lediglich die wache Zivilgesellschaft und ein Teil der Medien könnten als Gegengewicht fungieren; sie verfügen aber nicht über feste Strukturen und Institutionen.

Über diese und weitere Fragen wird die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Viola von Cramon-Taubadel referieren und diskutieren. Sie hat sich seit vielen Jahren intensiv mit der Ukraine und generell mit Ostpolitik beschäftigt, verfügt über gute Kontakte zur neuen Führungsmannschaft in Kyjiw und sieht die Ukraine gleichermaßen mit Empathie und kritischer Distanz.

UKB: 5,- € / 2,5 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger

 


 

Fr., 6.12.19 – 19:00 Uhr

Buchvorstellungen und Gespräch mit den Autoren Tim Tichatzki u. Mark Zak

Tim Tichatzki, „Roter Herbst in Chortitza. Nach einer wahren Geschichte“, Brunnen-Vlg Gießen 2018
Moderation: Katharina Heinrich, Osteuropahistorikerin, LKF-Beirat

1919:
Ein Bürgerkrieg fegt mit aller Gewalt über das zerfallene Zarenreich. Gefangen zwischen den Fronten, finden die beiden Freunde Willi und Maxim ein von Soldaten zurückgelassenes Maschinengewehr. Für Maxim ein Geschenk des Himmels, für Willi die größte Herausforderung seines Glaubens, denn als Sohn mennonitischer Siedler hat er gelernt, jede Form von Gewalt abzulehnen. Eine Zerreißprobe für die Freundschaft der beiden Jungs. Während Willis Familie in der aufkommenden Sowjetdiktatur ums nackte Überleben und um ihren Glauben kämpft, schlägt sich Maxim ausgerechnet auf die Seite des Regimes. Beide wissen nicht, ob sich ihre Wege je noch einmal kreuzen werden. Zwei Lebenswege inmitten der sowjetischen Diktatur, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Tim Tichatzki erzählt ein Kapitel russisch-sowjetischer und zugleich ein Stück eigener Familiengeschichte. Schonungslos, packend und herzergreifend zu lesen.

Tim Tichatzki, Jg. 1974, ist Diplomvolkswirt und lebt mit seiner Familie in Köln. Er engagiert sich in der Lebenswert-Stadtkirche Köln

Mark Zak, „»Erinnert euch an mich». Über Nestor Machno. Porträt des ukrainischen Anarchisten“ Editon-Nautilus Hamburg 2018

Von der sowjetischen Geschichtsschreibung zum Mörder und Banditen degradiert, von den Anarchisten in aller Welt als Held, als ukrainischer Che Guevara verherrlicht, hat Nestor Machno (1888-1934), der Führer einer nach ihm benannten legendären Volksbewegung und Bauernarmee Machnowtschina (zwischen 1917 und 1922 gehörten ihr bis zu 100.000 Freiwillige an), den Ausgang des russischen Bürgerkriegs entscheidend beeinflusst. Unter der schwarzen Fahne der Anarchie führte Machno von 1918 bis 1921 einen kompromisslosen Partisanenkrieg gegen alle – gegen Anhänger des Zaren, Bolschewiken, ukrainische Nationalisten, deutsche und österreich-ungarische Truppen – und für die kollektive Selbstverwaltung der Bauern und Arbeiter in einer herrschaftsfreien staatenlosen Gesellschaft.

Aus Memoiren, Berichten, Verhörprotokollen und Briefen von Zeitzeugen, die er recherchierte und z.T. erstmals ins Deutsche übersetzte, hat Mark Zak ein vielstimmiges Porträt des überlebensgroßen Bauernführers zusammengestellt aber ausdrücklich kein Urteil über ihn gefällt.

Mark Zak ist ein deutscher Schauspieler und Autor. Geb. 1959 in Lviv/Lemberg, wuchs Zak in Odessa auf und kam 1974 mit seiner Familie nach Westdeutschland. Von 1977 bis 1980 besuchte er die Schauspielschule der Keller in Köln. Mark Zak hat in über hundert deutschen und internationalen Filmen mitgewirkt, unter anderem 2010 in The Tourist und 2014 in Bridge of Spies. Er hat drei Töchter und lebt mit seiner Frau in Köln.

UKB: 5,- € / 2,5 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger

 


 

Mi., 11.12.19 – 19:00 Uhr

Adventskonzert

der Internationalen Musikakademie Anton Rubinstein Düsseldorf

Veronika Salikhova – Klavier

Yin Meihui     Tingze Chen     Haochi Tan     Yifan Mo     Wan-Yin Tsai     Huaiyu Wang     Yi Jiang

singen Lieder und Arien von

PucciniCh., Gounod, L. Arditi, G. Verdi, F. Léhar, F. Schubert, J. S. Bach, W. A. Mozart

Wagner, C. Reinecke, G. F. Handel, V. Bellini, C. Zeller

Donizetti, L. Delibes, J. Offenbach, R. Schumann

UKB: 7,5 € / 5,00 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger

Mitglieder der Anton Rubinstein Akademie FREI

 

 


 

 

Sa., 14.12.19 – 17:00 Uhr

AUF DER SUCHE NACH EUROPA | LOOKING FOR EUROPE, 2018, 35 Min, Originalversion mit englischen Untertiteln

Filmdokumentation von Kristof Gerega

Mitveranstalter: „Freiheitskämpfer“ e.V., Köln

Wie bringt man junge und kreative Menschen in der Ukraine dazu, im Land zu bleiben, das nach den Hoffnungen der Maidan-Ereignisse zwischen Krieg, Korruption und einer schwächelnden Wirtschaft stagniert? Und wie bringt man sie dazu, an die Demokratie zu glauben?
Der Film beobachtet drei junge Abgeordnete der Werchowna Rada bei ihrer Arbeit, Konflikte mit Politik zu lösen.

Anschließend das Gespräch in englischer Sprache mit dem Regisseur und einer der Film-Protagonisten – der ukrainischen Politikerin Svitlana Zalishchuk.

Moderation: Daniel George

Kristof Gerega, der Berliner Filmemacher und Produzent (*1981) wuchs in Polen und Deutschland auf. Sein erster Dokumentarlangfilme Nicht mehr unsere Heimat (2016) wurde auf internationalen Filmfestivals und im polnischen Fernsehen gezeigt. Seit 2013 ist er Geschäftsführer der Berliner Produktionsfirma Schuldenberg Films. Neben seiner Tätigkeit als Filmemacher und Produzent arbeitet er als Schauspieler und gibt Filmregie-Workshops. 2018 war er Jurymitglied des DIALOG – Preis für die Verständigung zwischen den Kulturen auf dem Filmfestival Cottbus.

Svitlana Zalishchuk,
geb. 1982 in Schaschkiw, Ukraine, ist eine Politikerin, Journalistin, Menschenrechtsaktivistin und ehemaliges Mitglied des ukrainischen Parlaments. Bei den ukrainischen Parlamentswahlen 2019 verlor Zalishchuk die Wiederwahl als unabhängige Kandidatin in einem Wahlkreis mit nur einem Sitz im Gebiet Tscherkassy. Sie arbeitet aktuell als außenpolitische Beraterin von Premierminister Oleksiy Honcharuk.

Daniel George
, geb. 1979 in Chemnitz, ist Politikwissenschaftler und arbeitet seit vielen Jahren in der kommunalen sowie der internationalen Politik. Seit 2008 organisiert er Projekte zur Förderung von Demokratie, Liberalismus und Menschenrechten in Osteuropa, vornehmlich in Belarus, Ukraine und Russland. Er ist Manager des „Belarus & Ukraine Programme“ der International Federation of Liberal Youth (IFLRY) und in der Region gut vernetzt. Momentan arbeitet er hauptberuflich als Geschäftsführer der liberalen FDP-Ratsfraktion in Hagen.

UKB: 5,- € / 2,5 € LKF-Mitglieder, Schüler, Studenten und ALG-II-Empfänger

 

***

Veranstaltungshinweis

Mi., 4.12.2019 – 18:00 Uhr

Öffentliche Diskussion:

Putin und das Netz – kommt die Great Chinese Firewall nach Russland?

ORT: Universität zu Köln, Hauptgebäude, Hörsaal II,Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln

Veranstalter: Zentrum Liberale Moderne Berlin, Inst. für osteuropäisches Recht und Rechtsvergleichung der

Universität zu Köln, Sacharow Zentrum Moskau, Lew Kopelew Forum e.V.

Mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes

Am 1. November ist in Russland das Gesetz über ein „souveränes Internet“ in Kraft getreten. Es ermöglicht den Behörden, InternetnutzerInnen innerhalb Russlands von der weltweiten Netz-Infrastruktur zu trennen. Das Gesetz ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Regulierungen, mit denen der Kreml die Internetfreiheit nach und nach einschränkt.

Seit 2012, als in Russland die bis dahin größten, auch mit Hilfe des Internets organisierten Demonstrationen gegen Wahlfälschungen und die Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt stattfanden, hat der Kreml das Netz im Visier. Die juristischen und technischen Möglichkeiten für elektronische Überwachung und politische Zensur wurden seitdem konsequent ausgebaut.

Immer stärker verfolgt der Staat kritische JournalistInnen, BlogerInnen und AktivistInnen, für die das Internet eine unentbehrliche Plattform ist. Aber auch private InternetnutzerInnen werden für öffentliche Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken willkürlich und hart verfolgt. Nachdem der Staat fast alle wichtigen russischen Internetprovider und Online-Plattformen unter Kontrolle gebracht hat, erhöht er den Druck auf ausländische Firmen wie YouTube, Google und Facebook, die einen Rückzugsraum für die kritische Öffentlichkeit bieten. Gleichzeitig nutzt der Kreml diese Plattformen in großem Stil, um mit Desinformationskampagnen die öffentliche Meinung im Ausland zu beeinflussen.

Folgt Russland dem Vorbild Chinas? Wie können die demokratische Opposition und unabhängige Zivilgesellschaft in Russland online bleiben? Kann die Freiheit im Netz verteidigt werden? Diese und andere Fragen wollen wir mit ExpertInnen und AktivistInnen aus Russland und Deutschland diskutieren und laden Sie und Euch herzlich dazu ein.

Begrüßung:

Maria Sannikova-Franck, Zentrum Liberale Moderne, Berlin

Es diskutieren:

Damir Gainutdinov, Menschenrechtsgruppe Agora, Moskau

Ulrike Gruska, Reporter ohne Grenzen, Berlin

Alexander Isavnin, Roskomsvoboda/ Internet Defence Society, Moskau
Dr. Fabian Burkhardt, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin

Moderation: Prof. Dr. Caroline von Gall, Universität zu Köln

Die Diskussion wird simultan auf Deutsch und Russisch übersetzt.
Bitte melden Sie sich bis zum 3. Dezember 2019 unter diesem Link an.

Eintritt Frei